Meine Schule ins digitale Zeitalter führen (4/2019)

9. April 2019 - Lesezeit: 10 Minuten

Das hier ist meine Geschichte, wie ich meine Schule in zwei Jahren ins digitale Zeitalter geführt habe. Dies gelang nur dank unsagbar viel Glück, einer großartigen Schulleitung und inspirierenden Kollegen. Der Bericht soll Mut machen einfach loszulaufen, schneller zu werden und sich nach einer Weile umzuschauen und zusehen, dass die eigene Schule nun eine andere ist. Ein späterer Artikel wird die zugrundeliegende Theorie in Projektmanagement und Personalfüherung beschreiben. Stay tuned. 😉

Ic werde den Schwerpunkt auf Technik und auf Schulungen legen. Die didaktische Sicht habe ich etwa hier beschrieben. Es ist um übrigen nicht so wichtig, dies zentral vorzuplanen. Sobald eine verlässliche technische Infrastruktur, der man sich gewachsen fühlt, vorhanden ist, entwickeln sich die unterschiedlichen Anwendungsfälle selbst.

tl;dr: Schaffe die Grundlagen. Vernetze dich. Verlässliche Technik. Ausreichend schnelle Internetanbindung. Flächendeckendes WLAN. Der Rest wird sich ergeben.

Ausgangslage

Meine Schule liegt in Leipzig. Es wurde vor acht Jahren in einem Schulhausaltbau aus den 1920ern gegründet. Junges Kollegium. Schulleitung mit kooperativen Führungsstil.

Folgende Errungenschaften hatten wir schon:

  • Smartphonereglung - Handyverbot (ausgeschaltet und in der Tasche) für SchülerInnen. Die Lehrkraft darf selbstständig den Einsatz im Unterricht anordnen. Dabei muss das Benachteilungsverbot geachtet werden - kein SchülerIn ohne Smartphone wird benachteiligt.
  • passive Netzwerkinfrastrultur - Durch eine Schule vor uns hatte jeder Raum bereits zwei LAN-Anschlüsse
  • zwei Computerkabinette mit einer Imaginglösung - Die Rechner werden von einem zentralen Server aus verwaltet. Dieser liefert fertige Images aus, welche wir selbst anpassen können und verhindert, dass die SchülerInnen irgendwelche Änderungen vornehmen können. Angenehmer Nebeneffekt: Jeder Rechner ist identisch und wenn etwas aus Versehen umgestellt wurde reicht ein Neustart.
  • Anzeigegeräte (Beamer und Interaktive Tafeln) in 2/3 aller Räume. (!) - Für Bayern ist das sicher wenig in Sachsen beinahe Revolutionär.
  • Mailadressen für das Kollegium.
  • Vertretungsplan, welcher Online und in einer App abgerufen werden kann.

Unsere Etappen

Der erste Schritt war es für mich die Rolle des pädagogischen IT-Koordinators zu übernehmen. Damit einhergehend brachte ich die Informatikkabinette wieder so in Schuss, dass diese für uns selbst und fremde Fachschaften verlässlich nutzbar wurden.

Digitale Kommunikation mit LernSax

Nachdem wir schon Schulmailadresse hatten wechselten wir auf LernSax. Als modern oder besonders benutzerfreundlich kann man es nicht bezeichnen, aber es tut seinen Job. Im Grunde ist es ein WebWeaver, der zentrale Funktionen für die Zusammenarbeit in Teams mitbringt:

  • Mail
  • Adressbuch
  • Messanger
  • Forum
  • Dateiablage
  • Kalender
  • Aufgaben
  • Stunden-/Vertretungsplananbindung
  • Formulare
  • Ressourcenplanung

Daneben wurden noch schulspezifische Funktionen umgesetzt, die man aber wirklich nicht verwenden möchte:

  • Courselets
  • Wiki
  • Blog
  • Webseite

Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Ich habe das System nicht einfach Hingestellt, Accounts ausgeteilt und den Kollegen einen schönen Tag gewünscht, sondern ein umfangreiches Schulung und Dokumentationskonzept erdacht:

Es wurden mehrere Schulungen für verschiedene Zielgruppen (Lehrer, Schulleitungen, Administratoren) angeboten. Die Schulungen wurden dabei in Form von Blended Learning anhand eines Projekts durchgeführt.

Die Dokumentation des LernSax war leider veraltet. Daher wurde eine Dokumentation in schriftlicher Form, wo die Screenshots auch tatsächlich mit der Oberfläche übereinstimmen und in Form von YouTube Videos erstellt. Letzteres hat den deutlichen Vorteil, dass Missverständnisse vollständig vermieden werden können und Abläufe eins zu eins dargestellt werden können.

Durch dieses Schulungskonzepts konnten die KollegInnen selbst erfahren welche Vorteile und Möglichkeiten LernSax bietet. So wurden dann selbstständig einzelne Verwaltungsabläufe auf die Plattform verlagert. Mit der Zeit wurden und werden es immer mehr.

Das Internet wird nutzbar

Zu Beginn hatte meine Schule mit ca. 700 Schülerinnen einen Anbindung mit 16.000 kBit/s für die den Lehrbetrieb zur Verfügung. Ich habe mehrere Strategien versucht, um die Leitungskapazität zu steigern:

  • Bestehenden Internetvertrag erweitern: wir haben T@School, wo sich herausstellte, dass wir auf 50 MBit/s aufstocken konnten. Auch der Verwaltungsanschluss konnte von 16.000 kBit/s auf 100 MBit/s erweitert werden.

  • Internetanschlüsse bündeln: in Sachsen haben Schulen zwei Internetanschlüsse. Ein Anschluss für die Verwaltung und ein Anschluss für die pädagogische Nutzung (Lehrbetrieb). Wie sich herausstellte, musste nach der Verwaltungsvorschrift die beiden Zugänge nicht mehr physikalisch, sondern nur noch logisch getrennt werden. Dadurch konnten wir beide Anschlüsse zusammenschalten, und so die Kapazität des Verwaltungsnetzes mit nutzen. Diese war mit mit 100 MBit/s ja nun deutlich zu groß ausgelegt.

  • Weitere Internetverträge buchen: wir wollten weitere Verträge buchen und haben daher folgende Optionen Betracht gezogen:

    • Weiterer klassischer Internettarif: das war leider nicht möglich, da uns technisch kein dritter Anschluss geschalten werden konnte.
    • LTE: Wir haben überlegt die Sekretärin mit einem LTE Max Tarif der Telekom haben auszustatten (das Gerät mit der SIM muss sie nämlich bewegen und darf nicht lokal fest verbaut sein). Über einen Hybrid-Router hätten wir so einen dritten Anschluss gehabt. Letztendlich haben wir diese Überlegung noch nicht ausprobiert.
    • Fernseheranschluss nutzen: Mittlerweile bieten Fernsehanbieter auch Internet an. Und das bis zu 500 MBit/s. Das ist natürlich nur zu den besten Zeiten möglich und nicht garantiert, aber genau davon profitieren Schulen: Wenn tagsüber niemand in den Wohngebieten ist, hat die Schule die Leitung und am Abend wenn das Wohngebiet die Leitung nicht nutzt sind wir nicht mehr da. Leider konnten wir letztendlich diese Variante nicht wählen, da unsere Schule kein Fernsehanschluss (Überraschung 😉) hat. Tiefbaumaßnahmen kann man schon ab 1.000€ von den Kabelanbietern durchführen lassen (Stichwort Bauherrenservice), aber Tiefbaumaßnahmen müssen in Leipzig direkt von der Stadt in Auftrag gegeben werden. Wir hätten das Geld nur über einen privaten Sponsor gehabt. Also gescheitert an der Verwaltung.

Die Roboter kommen

Durch die Teilnahme an einer Vielzahl an Konferenzen und Networking-Veranstaltungen kam ich auch mit Organisationen in Kontakt, welche uns vier Lego EV3 Roboter zur Verfügung stellen konnten. Gesagt getan. Schwups waren die Geräte da. Darauf aufbauend konnten wir den Förderverein überzeugen vier weitere Roboter anzuschaffen. Wir waren bereit für den Einsatz in Ganztagsangeboten und dem Informatikunterricht.

Einzig das WLAN zum komfortablen Arbeiten mit dem NEPO-Editor fehlte uns noch. Ein Raspberry-Pi hat übergangsweise den Editor gehostet und für die Roboter das WLAN betrieben.

Mehr Rechner

Zwei Informatikkabinette ist zu wenig. Glücklicherweise erhalten Berufsschulen ziemlich gute Rechner für ihre komplexen Anwendungen. Wir konnten uns Rückläufer einer solchen Schule organisieren:

Ein drittes Kabinett entstand und ich konnte großzügig in den Vorbereitungsräumen Rechner aufstellen. Anschließender Verwaltungsaufwand hält sich durch die Imaging-Lösung in Grenzen. Also eigentlich kein Mehraufwand 😎.

Wer jetzt denkt so alte Rechner? Office-Anwendungen brauchen heute kaum noch Ressourcen. Steckt man dann anstelle der HDD eine SSD ein, so rennt die drei Jahre alte Kiste.

Rechner in den Vorbereitungsräumen haben natürlich auch wieder zu umfänglichen Dokumentationen und Schulungen geführt.

WLAN entsteht

Wir haben am Wettbewerb Smart School teilgenommen und ein kleines Medienkonzept erstellt. Das wiederum überzeugte unsere Stadt und als eine der ersten Schulen mit WLAN auszustatten. Der Aufwand hielt sich auch in Grenzen, da wir ja schon die passive Infrastruktur hatten und "nur noch" die aktive Netzwerktechnik benötigten.

Jetzt die Frage, wie nutzen? Für Lehrkräfte ist die Sache klar: Jede erhält ihren personengebunden Zugang und kann eigenverantwortlich arbeiten. SchülerInnen sollten aus vielfältigen Gründen nicht einfach so, das WLAN nutzen können. Dafür haben wir eine Lösung wie im Hotel geschaffen: Mit einem Voucher erhält eine Schulklasse für eine Schulstunde Zugriff auf das WLAN und fällt danach automatisch wieder heraus. Technisch setzen wir das mit einem alten Rechner um, welcher zwei Netzwerkkarten hat und durch eine pfsense zur Hardware-Firewall wird, welche die Voucher verwaltet. Nun haben wir mehr als zwei Netze, aber Ressourcen die jeder gern hätte (Drucker, Netzlaufwerke, HDMI-Dongle). Für diese muss eine DMZ im Netzwerk geschaffen werden.

Die Tablets kommen

Eine Schule, die WLAN hat, die hat alle Voraussetzungen für Tablets geschaffen. Über private Förderer konnten wir einen halben Klassensatz IPads anschaffen. Auch wenn ich lieber ein offenes Ökosystem gehabt hätte, stellte ich fest, dass Android sich wirklich viel Mühe gibt nur aufwendig zentral administrierbar zu sein. Bei Apple ist das quasi inbegriffen und funktioniert nach kurzer Einarbeitungszeit recht gut.

Auch hier haben wir die Tablets nicht einfach abgeworfen sondern Schulungen abgeworfen.

Nächste Schritte

Wir sind unserer Zeit einfach voraus. Die Stadt plant demnächst für alle Schulen folgende Schritte:

  • WLAN
  • Roboter durch den Digitalpakt
  • Tablets
  • mehr interaktive Tafeln
  • ein Imaging-System
  • Glasfasernetzanschluss

In einzelnen Aspekten kann ich kühn behaupten, dass wir zumindest Inspiration waren.

Wir setzen alle neuen Maßnahmen sofern sie uns noch betreffen mit um. Woran wir weiterhin arbeiten: An einem Vollausstattung an Anzeigegeräten in allen Räumen. Denn nur mit einer verlässlichen technischen Grundlage werden Lehrkräfte ihren Unterricht auch tatsächlich umstellen.